Zwar konnte die Gruppenleitung
ihre Teamfähigkeit und Aufnahmekapazität nicht groß ändern, aber mit einer
reduzierten Erwartung an die Leitung und stärkerem Beharren auf Eingehen auf
andere Vorschläge konnte die Kooperation in der AG besser gelingen und der
Ärger war verflogen… Offenbar brauchte die Leitung Hilfe bei Ausführen ihrer
Rolle, die sie selbst aber nicht formuliert hat.
Ärger als Anzeigegefühl für das Bedürfnis nach Kooperation
Ärger ist offenbar ein
Anzeigegefühl für ein frustriertes Bedürfnis nach Kooperation. Michael
Tomasello hat bei seinen Grundlagenforschungen zur menschlichen Kooperation schon
bei Kindern beobachtet, dass diese ärgerlich wurden, wenn die Bezugspersonen
auf ihr Kooperationsangebot nicht eingegangen sind und dies ignoriert haben
(2010). Wenn die Bezugspersonen den Ärger richtig verstanden haben (meist
implizit), haben sie sich dem Kind zugewandt und sind auf seine Angebote und
Fähigkeiten eingegangen. Dann hat der Ärger als Ausdruck des Wunsches nach
einer besseren Kooperation geholfen, diese herzustellen. Ärger ist wie andere
Emotionen auch ein nonverbaler Ausdruck eines (frustrierten) Bedürfnisses. In
der Sprachwelt der Erwachsenen wird dies allerdings häufig nicht (mehr)
verstanden.
Den Wunsch nach besserer Kooperation verbal ausdrücken
Dann können wir durch eine
verbale Äußerung unserem Bedürfnis Beachtung verschaffen, indem wir z.B. sagen:
„Ich wünsche mir, dass du auf meinen Beitrag eingehst.“ Oder: „Ich würde gerne
die Rolle xy in unserer Kooperation übernehmen. Wäre das ok für dich (bzw.
Euch)?“
So ist es hilfreich, die Funktion
von Emotionen wie Ärger als nonverbale
(auch kindliche) Äußerungen von
Bedürfnissen zu verstehen. Dann können wir beim Aufkommen von Ärger
möglichst bald unseren Wunsch nach einer besseren Kooperation kommunizieren,
anstatt unserem Kooperationspartner Vorwürfe zu machen.
Tomasello hat bei kleinen Kindern
ab dem Alter von 9-12 Monaten schon das spontane Auftreten von Kooperation um
Drittes, zu dem sie also keinen eigenen Bezug hatten, beobachtet. Dabei konnte
er vier Eigenschaften feststellen, die diese Kooperation der Kinder immer
wieder zeigten, ohne dass sie dazu aufgefordert oder dafür belohnt wurden.
Diese vier Eigenschaften scheinen demnach angeboren zu sein und mit einer
Erwartung an zwischenmenschliche kooperative Beziehung verknüpft zu sein. Diese
vier Kriterien von partnerschaftlicher menschlicher Kooperation sind:
1. Kooperationspartner
gehen aufeinander ein.
2. Sie
haben ein gemeinsames Ziel (Attraktor), eine gemeinsame Intentionalität.
3. Sie
stimmen ihre unterschiedlichen Rollen miteinander ab.
4. Sie
helfen sich gegenseitig, wenn einer Hilfe braucht.
Wenn eines dieser Kriterien vom
Kooperationspartner nicht erfüllt ist, kommt Ärger auf, gewissermaßen als
Rückmeldung, dass die Kooperation nicht so ist, wie man sie sich gewünscht hat.
Spätestens dann wird es für einen der Sprache mächtigen Erwachsenen Zeit, seinen
Wunsch verbal zu formulieren. Auf diese Weise kann der bewusste Umgang mit
Ärger als Anzeigelampe helfen, die Kooperation zu verbessern – wenn wir dies
Bedürfnis angemessen als Bitte, Wunsch oder Ähnliches differenziert
kommunizieren.
Vom Ärger zum Gefühl der Ohnmacht
Wenn wir dagegen aber unseren
Ärger ‚runterschlucken‘, weil wir uns abgelehnt und ohnmächtig fühlen, kann
sich das gegen uns selbst richten, und dazu führen, dass wir uns als Opfer
fühlen. Auf jeden Fall verbessert es die Kooperation nicht, und wir leben
weiterhin im Frust. Wenn wir dann aus diesem Gefühl der Ohnmacht oder
Hilflosigkeit dem Gegenüber Vorwürfe machen, ihn kritisieren, gibt es häufig
eine Eskalation der Vorwürfe und eine Verschlechterung der Kooperation oder ein
Ende. Ein Gefühl von Ohnmacht und/oder Vorwürfe zeigt an, dass das
Beziehungsmuster des Opferdreiecks getriggert ist. Dieses Beziehungsmuster ist das
Haupthindernis für kokreative partnerschaftliche Kooperation. In dieser
Gefühlslage ist es besonders schwierig, wieder in eine kreative Kooperation zu finden.
Wie wir diese Opfer-Dreiecks-Dynamik
lösen und in eine gelingende Kooperation kommen können, wird das Thema vom
nächsten Post sein.